Ich bin sehr aufgeregt und überaus erfreut, euch endlich meine neue Veröffentlichung vorzustellen:
Der Klappentext verrät vielleicht nicht viel, aber die Spannung soll ja erhalten bleiben … und es gibt eine Überraschung, das kann ich euch schon mal versprechen.
Der 17-jährige Ferdinand hat vor zwei Jahren etwas Grauenhaftes erlebt. Seine Familie und Freunde raten ihm, es zu vergessen, doch seine Träume lassen es ihn wieder und wieder durchleben.Noch ein kleiner Hinweis. Da es sich bei der Erzählung um einen Beitrag zum diesjährigen Kindle Storyteller Preis handelt, helft ihr mir unglaublich, nicht nur mit dem Kauf des Buches in welcher Form auch immer und einer ehrlichen Rezension ;) sondern auch durch das Teilen und Weitersagen/Empfehlen – Mundpropaganda mal zum Vorteil nutzen!
Nur Martha – eine neue Bekanntschaft – ermutigt ihn dazu, sich seinen Ängsten zu stellen.
Solltet ihr das in den sozialen Medien machen, dann mit dem Hashtag #kindlestoryteller2018 und #schusterbleib, damit auch ich das finde und euch danken kann.
Damit zur
L e s e p r o b e
L e s e p r o b e
Sie schmiegte sich an ihn,
um nicht vom Fahrtwind mitgerissen zu werden. Ihre Finger krallten sich in
seine Jacke und pressten ihren Körper noch näher an den seinen. Es gefiel ihm
und er hielt die Geschwindigkeit bei, damit sie nicht auf die Idee kam, die
Nähe zu ihm zu lösen.
Das
Moped brachte sie sicher über die einsamen Landstraßen, durch tiefe Schluchten
und über bereits hoch aufragende Pässe. Das Gebirge zu ihrer Rechten senkten
sich die Täler landeinwärts zu ihrer Linken gen Norden. Sie ließen die
bekannten Routen hinter sich, das vertraute Umland des Dorfes lag bereits
mehrere Kilometer zurück. Noch nie zuvor hatten sie sich so weit hinaus gewagt.
Er sah auf den Tankstand und prüfte die Zeit. Sehr viel weiter sollten sie es
nicht mehr wagen, oder sie würden es nicht vor Einbruch der Nacht ins Dorf
zurück schaffen.
Ein
Gefühl von Wehmut überkam ihn. Er musste zugeben, dass er es nicht enden lassen
wollte. Er wollte den Rückweg nicht antreten und dem Zeitpunkt entgegen fahren,
an dem er schon wieder Abschied von ihr nehmen musste. Er wollte ewig so weiter
fahren. Den Sonnenuntergang im Rücken wollte er es anhalten lassen, bis sie der
Sonne entgegenfuhren.
Er
fühlte ihren fester werdenden Griff um seinen Brustkorb. Die Gedanken hatten
ihn unvermittelt schneller werden lassen. Die gerade Landstraße ließ es zu,
dass er sich kurz über die Schulter zu ihr umdrehen konnte: „Bin ich zu
schnell?“
Er
sah ihr konzentriertes Gesicht nur aus den Augenwinkeln: der zu einem Strich
zusammengepresste Mund; die zusammengekniffenen, smaragdgrünen Augen; das zu
einem straffen Zopf geflochtene, kastanienbraune Haar, das in der langsam
sinkenden Sonne den Schein von Kupfer annahm. Sie zeigte so viel
Entschlossenheit. Mittlerweile war er überzeugt, sie sehr gut lesen zu können –
sie hatte Angst, aber das Gefühl reizte sie auch. Sie schüttelte den Kopf und
zwang sich den Hauch eines Lächelns in die Mundwinkel.
Er
spürte ein Luftloch. Erst, als er sich wieder auf den Straßenverlauf
konzentrierte, bemerkte er, dass es keinerlei Unebenheiten auf der Strecke gab.
Sie bringt mich um den Verstand. Er
bewunderte ihre Abenteuerlust, ließ die Hand dennoch vom Gas und das Moped
langsam ausrollen. Er durfte nicht übermütig werden.
Es
hatte in den vergangenen Wochen genügend Überredungskunst gefordert, seinem
Vater zu vermitteln, dass er mehr und mehr Touren mit dem neuen Mädchen
unternahm. Er musste nicht auch noch erfahren, dass sie dabei die Helme an
einer versteckten Stelle zurückließen, sobald sie den Ortsausgang hinter sich
gelassen hatten. Neu erworbener Führerschein hin oder her. Was nützte es, einen
Ausflug zu machen, wenn man der Person nicht in die Augen sehen konnte und die
Helme ständig aneinander stießen, wenn sie sich an ihm festhielt? – Wilhelm
Alois Schuster wäre davon überzeugt gewesen, dass der Neuzuwachs im Dorf seinen
Sohn dazu verleitet hätte, aber Ferdinand sah das anders.
„Warum
werden wir langsamer, Schuster?“, erreichte ihn ihre Frage gegen den Fahrtwind.
Sie
mochte seinen Rufnamen nicht, also nannte sie ihn nach dem Vorbild
amerikanischer Krimiserien, die sie so liebte, beim Familiennamen. Nur, wenn
sie ihm schmeicheln wollte, wich sie auf seinen Rufnamen aus – und auch dann
nur auf den zweiten, was er mittlerweile selbst übernommen hatte.
Als
sein Vater davon Wind bekam, dass sie seinen Sohn mit Nachnamen ansprach,
musste er sich sichtlich beherrschen, nicht ausfallend zu werden und wie ein
Koloss zu stampfen: „Unerhört! Respektlos!“, hatte er später plusternd
hervorgebracht. „Als ob ihr Fremde wärt. Was glaubt sie, wen sie vor sich hat?
Mit ihren neunmalklugen Sprüchen und der albernen Zahnspange. Immerhin stellen
wir hier eine der ältesten Familien …“ Und so ging es weiter, aber Ferdinand
hatte schon nicht mehr hingehört. Seit sein Vater die Zahnspange erwähnt hatte,
kreisten seine Gedanken um das strahlende Lächeln von Martha Nobel, das durch
die metallischen Klammern nur noch mehr schimmerte … und auch wenn er wusste,
wie klischeehaft es war, flüsterte er vor dem Schlafen ihren Namen wie ein
Mantra. Sein Martha-Mantra.
„Weil
ich als einziger die Zeit im Auge behalte, wie mir scheint“, gab er zurück und
suchte nach einer passenden Stelle, um zu wenden und den Rückweg anzutreten.
Er
schien sie jedoch nicht zu finden. Sie rollten dahin, er gab weder Gas, noch
bremste er ab. Ihr sicherer Griff um seinen Oberkörper zeigte ihm, dass auch
sie diesen Spätsommerausflug nicht zum Ende kommen lassen wollte. Sie ließ ihr
Kinn auf seiner rechten Schulter ruhen. Ihr Atem an seinem Hals sandte ein
Kribbeln durch seinen gesamten Körper.
„Nur noch eine kleine Weile, Ferdi“, sagte sie jetzt
kaum hörbar.
Er
gab ihr ein seitliches Lächeln, nickte knapp und richtete seine Aufmerksamkeit
auf die Landstraße. Sie bringt mich um
den Verstand. Sie umarmte ihn kurz fester und legte ihren Kopf dann
seitlich auf seinen Rücken, um die vorbeiziehenden Berge zu betrachten, die von
der untergehenden Sonne feurige Gipfel bekommen hatten.
„In Ordnung, Miss
Noble, noch ein kleines Stückchen.“
Aus
irgendeinem Grund korrigierte sie ihn nicht und ließ sich auch zu keiner Spitze
hinreißen. Manchmal erstaunte es ihn, wie besessen sie von Namen zu sein schien
– vornehmlich ihrem eigenen. Aber das lag vermutlich daran, dass beinah niemand
im Dorf ihn richtig auszusprechen vermochte. Martha Nobel hasste es, wenn Leute
ihren Vornamen deutsch und ihren Nachnamen wie den schwedischen Preis aussprachen.
Sie bestand, so wie es ihre Eltern vorgesehen hatten, auf die englische
Aussprache mit „ti-äjtsch“ und den Nachnamen wie das deutsche Adjektiv „nobel“.
Sie hatte mit den Schultern gezuckt, als sie ihm diesen Spruch das erste Mal
aufgesagt hatte. „Kann doch nicht so schwer sein, oder?“ – Er würde es nicht
zum letzten Mal hören.
In
seiner Familie stieß das natürlich auf taube Ohren. Es schien, als würden sich
die Sprachorgane der Schusters mit Zunge und Lunge dagegen wehren. Wenn sie von
ihr sprachen – und nicht gleich auf die deutsche Variante des Namens
zurückgriffen –, war Ferdinand sich oft nicht sicher, ob sie beim Erwähnen von
„Marsa“ von der fünfzehnjährigen
Tochter des neusten Zuwachses in der Gemeinde redeten oder eine neue weibliche
Form für Marsianer erfunden hatten.
Sie
fuhren ein Stück weiter. Ferdinand überließ Martha immer die Entscheidung, wann
sie umkehren sollten, obwohl es so wirkte, als hätte er die Zügel in der Hand.
So war sie, Martha Nobel: Sie beeinflusste, indem sie andere die Entscheidung
treffen ließ. Immer wieder sagte er sich, nur
noch einen Kilometer. Noch bis zur nächsten Biegung. Bis zur nächsten
Halteinsel. Aber sie fuhren weiter. Sie fuhren, bis die feurigen Gipfel der
Berge zu feurigen Spitzen geschrumpft waren und die Täler, durch die sie die
Landstraße führte, angenehme Kühle im Vergleich zu den sengenden Hängen boten.
Mittlerweile
wusste er, dass sie es nicht mehr rechtzeitig vor Einbruch der Dämmerung nach
Hause schaffen würden – eine Vereinbarung, die Martha mit ihrer Mutter
getroffen hatte, um die Erlaubnis zu bekommen, mitfahren zu dürfen. Sie
brachten ihre gemeinsame Zeit in Gefahr – sie
wusste es ebenso wie Ferdinand, aber im Moment war es ihnen egal. Hier und
jetzt zählte nur ihre gemeinsame Zeit.
Irgendwann
hörte er Martha hinter sich seufzen. „Meine Mutter wird mich umbringen.“
„Das
will ich natürlich nicht, Nobel“, hörte er sich sagen. Es sollte die Stimmung
aufheitern, aber es schien alles nur noch schwerer zu machen, die Luft
drückender, zähflüssiger. „Kehren wir also um.“ Es hieß, das unvermeidliche
Ende herbeizuführen, das sie so lange versucht hatten, aufzuschieben.
„Noch
bis zu dem Ortseingangsschild“, versuchte es Martha und wies geradewegs auf die
Strecke vor ihnen.
Tatsächlich
war in der einsetzenden Dämmerung in der Ferne ein Schild zu sehen. Ferdinand
war sich nicht einmal darüber bewusst gewesen, dass sie sich in der Nähe einer
Siedlung befanden. Er hatte sich keine bestimmte Strecke herausgesucht. Das war
ihre Vereinbarung gewesen: Einfach drauf losfahren. Jeden Tag in eine andere
Richtung. Egal, wohin. Und das hatten sie getan. Ferdinand hatte keine Karte
konsultiert und in der letzten halben Stunde auch auf keine Verkehrsschilder
geachtet. Er war sich nicht einmal sicher, ob es welche gegeben hatte. Aber
dort war er, ein längst vergessener Markierungspunkt.
Ferdinand
schaltete zum besseren Erkennen endlich die Scheinwerfer ein und brachte das
Moped zum Stehen. Er konnte es sich im Moment nicht erklären, aber ihm lief ein
Schauer über den Rücken, als sie sich dem Schild näherten.
Er
fand jedoch bald eine Erklärung dafür: Es war alt und nicht instand gehalten.
An seinem Sockel wuchs ein Schlehdornstrauch und streckte sich bis hinauf zum
Sims. Das Schild war tatsächlich so alt, dass es aus Holz gefertigt worden war
– etwas, das vor hundert Jahren noch als Pflicht für jede Gemeinde im Umkreis
von mehreren Kilometern galt. Aber selbst seine Gemeinde hatte irgendwann zu
den üblichen gelben Ortsschildern gewechselt. Seine Eltern hatten ihm erzählt,
dass es im Gemeinderat Bestrebungen gab, die traditionellen Schilder wieder
einzuführen, obwohl das einen bürokratischen Rattenschwanz nach sich ziehen
würde.
Dieses
hier war alt und Ferdinand konnte sich nicht daran erinnern, dass es so weit
südlich noch eine Siedlung gab. Ein Schild geformt wie die Front eines Hauses
mit Giebel und Dachfirst und allem, was dazu gehörte. Irgendwann mussten sogar
einmal Vögel hier genistet haben: Die Ecken waren mit Resten von Zweigen, Gras,
Federn und Kot verdreckt.
„Was
ist das für ein Ort?“, fragte Martha hinter ihm. Sie sah sich aufmerksam um,
beobachtete das Schild kaum, sondern versuchte, die dahinterliegende Ortschaft
auszumachen. Nirgends war Licht von Häusern oder eine Straßenbeleuchtung zu
sehen. „Schuster?“, vergewisserte sie sich.
Doch
Ferdinand gab keine Antwort; konnte
keine Antwort geben. Er erlebte ein Luftloch ganz anderer Art. Eines, das keine
Zahnspange dieser Welt ausfüllen konnte. Er hatte das Gefühl, seine Eingeweide
zogen sich schabend zusammen, um sich zu einem Knoten zu verbinden und zu Stein
zu werden. Marthas Nachfrage hörte er kaum. Stattdessen vernahm er ein
entferntes Echo. Eine Stimme aus den Tiefen der Zeit; ein Gewitter, Donner, das
Zerbersten von Glas, das Schließen einer Tür, Wimmern und der Schrei von neuem
Leben …
„Ferdinand!“
Marthas besorgte Stimme drang endlich zu ihm und holte ihn aus seiner Starre.
Die
Brise, die ihm entgegen wehte, musste von der Wärme des Tages eine angenehme
Temperatur haben. Für ihn war sie eiskalt aufgrund des Schweißes, der sich auf
seiner Stirn und in seinem Nacken gebildet hatte.
Er
bemerkte den besorgten Blick, den Martha ihm zuwarf, konnte seine
Aufmerksamkeit jedoch nicht von diesem alten Schild abwenden. „Was ist das für
ein Ort?“, wiederholte seine Begleiterin ihre Frage. Er mochte es sich nur
einbilden, aber er glaubte, einen Anflug von Panik in ihrer Stimme zu
vernehmen. Etwas, von dem er geglaubt hatte, dass sie gar nicht fähig dazu
wäre. Doch der Urinstinkt besiegte alles. Etwas stimmte nicht mit diesem Ort
und sie spürte es.
„Nichts!“
Er riss sich gewaltsam aus seiner Starre, betätigte die Kupplung und wandte den
Lichtkegel des Scheinwerfers zurück auf die Straße.
„Was
meinst du damit? ,Nichts‘?“, fragte Martha, die sich besann und wieder an ihm
festhielt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und vom Moped zu fallen, als
er zur Fahrt ansetzte. Er wechselte in scharfer Kurve die Richtung und schlug
den Rückweg ein. „Was machst du?“
„Wir fahren zurück“, stellte er sachlich fest. „Etwas,
was wir schon lange hätten tun sollen. Wir sind viel zu spät dran, Nobel. Nicht
nur deine Mutter wird an die Decke gehen. Mein Vater wird es auch. Und das wird
kein Zuckerschlecken. Wir sind viel zu lange unterwegs gewesen, viel zu weit …“
Zum wiederholten Mal versuchte er den Kloß in seinem Hals herunterzuwürgen. So
sehr er es auch versuchte, es wollte nicht gelingen. „Wir müssen zurück“,
brachte er bestimmt hervor, presste die Lippen aufeinander und starrte auf die
Straße, auch wenn er merkte, dass ihr Blick sich neugierig und unverständlich
in seinen Rücken bohrte.
Schuster, bleib …
Stefan G. Müller
ISBN: 978-1722372224
1. Auflage, 114 Seiten
ca. 24.500 Wörter
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